Sind wir doof oder das System?
Als ich mich auf meinem Badewannenrand so „aufwärmkuscheltrocknend“ in meinen Bademantel grub und vor mich hin sinnierfrierte, erschrak ich sehr.
Denn plötzlich wurde mir ein Phänomen bewusst, von dem ich mir nicht sicher war, ob ich mich darüber auslachen oder schämen sollte.
Zuerst hatte ich darüber nachgedacht, ob es nicht sinnvoll wäre, mir das tolle Ziel „NIE wieder einen Arzt zu brauchen“ vorzunehmen. All meine zunehmenden Wehwehchen – Hey, plötzlich konnte ich den „Hüften-auf und abschwingenden Entengang alter Damen mit „kenn ich“ abwinken!! – und der permanente Krankheitsfokus in meinem Umfeld, machten mir ernsthaft Sorgen. War das alles doch weit davon entfernt, was ich unter Mentaltraining verstand.
Die Ärzte hatten mich bis auf wenige Ausnahmen eh nie verstanden, geschweige denn geholfen und irgendwie hatte sich in mir die Annahme verstärkt, dass Ärzte halt nur Krankheiten behandeln. Gesundheit entsprach nicht dem Fokus unseres Systems.
Wie, das ist jetzt Deine Erkenntnis?
Nein, hab Geduld :-).
Ok, dachte ich. Wenn ich keinen Arzt für Krankheiten will. Was mag ich dann?
Mich um meine Gesundheit kümmern! Um Heilung.
Wer macht denn sowas?
Auweia! DAS war der Moment. Na klar, wenn überhaupt ich selbst jemals wieder nicht in der Lage sein sollte, mir zu helfen, dann wollte ich einen Heiler haben!
Uups! Wie aber dachten wir über Heiler? Mich ganz klar eingeschlossen. Ich fand sie ja sehr romantisch diese Schamanenvorstellungen und Wundergeschichten von alten weisen Medizinmännern und Kräuterhexen. Aber ganz ehrlich. Wenn sich jemand Heiler nannte, fiel es mir nicht immer leicht, ihn/sie/es ernst zu nehmen. Soll er doch machen, womit er glücklich wurde. Aber ein wenig peinlich ist er ja schon …
Oder aber mein Unternehmer-Ego muckte auf. Da gehe ich jahrelang in Weiterbildung und darf mir trotzdem anhören, nicht studiert oder vom Gesundheitsamt verarscht haben zu lassen und so ein Heiler belegt nen Wochenend-Heilerkurs und rettet die Menschheit?
Fragst Du Dich manchmal, wo solche Aussagen eigentlich gepflanzt wurden? Ich stelle mir diese Frage gerade.
Arzt, Therapeut, Coach, Berater, Heiler – alle schlecht oder saure Kollegenmoral?
1. Steht es mir wirklich zu, über die Arbeit und Qualität eines Kollegen – ja zum Geier, es sind alles Kollegen, die mit Herzblut dafür arbeiten, anderen Menschen zu helfen! – zu bewerten? Mache ich damit nicht jene Schublade auf, aus der ich selbst so gern hinaus möchte?
2. Ist die Arbeit eines anderen Menschen wirklich automatisch schlechter oder verantwortungsloser, weil er nicht meiner Ausbildungsdichte, meinem Verband oder meinem Reflexions- geschweige denn Methodenverständnis entspricht?
Wäre die geeignetere Frage denn nicht eher, ob der- oder diejenige nicht auch nach bestem Gewissen davon ausgeht, dass deren/ihre Herangehensweise die bestmögliche für den Klienten/Patienten ist?
„Ja, aber was da alles passieren kann“
„Die wissen doch gar nicht, was sie damit anrichten“
„Guck Dir mal die Psychiatrien an. Wie viele Retraumatisierungen dort behandelt werden“
Soll ich Dir was sagen?
ICH habe gar keine Chance, meiner Schublade so weit zu entklettern als dass ich DORT überhaupt die Gelegenheit hätte, um Gespräche und Austausch zu bitten. Das ist nämlich gar nicht gewollt. Dort, wo Kranke behandelt werden.
Was kann ICH also tun? Wo liegt meine Möglichkeit, wirklich etwas beizutragen?
1. Ich akzeptiere mal ganz grundsätzlich JEDE andere Methode
2. Wenn mir etwas unklar ist, suche ich das Gespräch
3. Ich achte darauf, ob es für mich nicht sogar etwas Spannendes zu lernen gibt
4. Ich respektiere, dass dieser andere Mensch möglicherweise eine andere Haltung hat. Denn er hatte genau wie ich das Glück, die Bergschuhe seines eigenen Lebens zu tragen. Bestimmt erweitert sich mein Horizont, wenn ich einfach mal eine Weile zuhöre!
„Und was ist mit den Risiken und Nebenwirkungen von Heilern?“
5. Ich spiele in diesem System nicht mehr mit, dessen Interessen darauf beruhen, mich klein zu halten, weil sonst möglicherweise zu viele Menschen lernen könnten, was tatsächlich möglich ist.
6. Wenn ich einen Kollegen bemerke, der aus meiner (!) Sichtweise (noch!?) zu wenig reflektiert, seinen Klienten möglicherweise zu viel von sich herüber stülpt, dann ziehe ich erst einmal Punkt 1-5 zu Rate und aus dieser Haltung heraus, erwäge ich, dieser Person das Kennenlernen meiner (!) Perspektive zu ermöglichen. Vielleicht wird sie dadurch reicher. Vielleicht ist sie aber schon auf andere Weise viel reicher als ich! Was auch immer mein Geist an dieser Stelle ausspuckt, hat möglicherweise nur die Qualität von Spucke. Ich kann diese Stimme hören und hinterfragen, ob sie eine wichtige Botschaft für mich (!) hat.
Die andere Person bewerten? Können tue ich das, aber sollte ich es?
7. Im Zweifel stelle ich mir gern die Frage, wie sich unsere Welt entwickeln würde, wenn alle Menschen in einem solchen Moment, so denken/handeln würden, wie ich. In dieser Frage steckt ganz viel Heilkraft.
Womit ich wieder beim Heiler bin. JA, ab sofort konzentriere ich mich auf Gesundheit und Heilung. Und wenn es jemanden gibt, der mir dabei helfen kann, ist es doch das Beste was mir passieren kann. Oder?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte seid und bleibt nett zueinander!
Toleriert andere Methoden und Arbeitsweisen und meine Güte, lasst doch jeden endlich das Marketing betreiben, das er/sie/es für seinen eigenen Weg richtig (wichtig) findet.
Je mehr Kritik wir üben, desto mehr könnten wir uns doch selber fragen, was da noch an uns kratzt. Ich werde das tun. Denn ich hatte mit diesem Beitrag definitiv ein Bedürfnis. Und ich werde beleuchten, welchem davon ich hiermit nachkam :-).
Kollegiale herzliche Grüße
Tanja, MUTivationscoach & Marketingmuse für Kollegen (damals)
Textquelle & Copyright: Tanja. Trotzdem
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Bildquelle: Pixabay: Medizinzubehör: hypertension-867855_640 sowie Heilerin: ai-generated-8519502_640
Dieser Artikel wurde schon am 16. März 2016 auf einer meiner alten Seiten veröffentlicht.
Tanja Schillmaier ist Autorin und systemische Coachin mit einer Leidenschaft für hilfreiche psychologische Methoden, die sie in ihren Büchern mit tiefen persönlichen Einsichten kombiniert. Sie unterstützt ihre Leser darin, Herausforderungen des Alltags zu meistern, indem sie komplexe Themen auf verständliche Weise vermittelt und Werkzeuge zur Selbstreflexion bietet. Mit ihrer eigenen wachsenden Powerquickie-Buchreihe und weiteren Ratgebern, wie dem Buch ‚Zuckerteufel – Glücklich leben trotz ADHS‘, schafft sie inspirierende Ressourcen für Menschen, die Probleme zu bewältigen haben und nach mehr Leichtigkeit und Balance suchen.