Kennst Du Leslie Lu?
Du brauchst nicht googeln. Sie wurde gerade geboren ist aber dennoch ein Kind der 70er.
Möglicherweise kommen Dir von den gleich folgenden Phänomenen ihres Alltags einige mit Deinen eigenen Themen bekannt vor. Schreib das gern in die Kommentare.
Leslie Lu ist Mutter und hat die Vergnügungen der Trennung ebenso hinter sich, wie die Rätsel und Herausforderungen einer stabilen Existenz. Außerdem kämpft sie seit einigen Jahren mit ihren zusätzlichen Kilos, obwohl sie auf gesunde Ernährung und Bewegung achtet. So konnte sie 25 kg abnehmen und halten. Bis zwei bremsende OP’s aus Sportunfällen und eine Gallenblasenentnahme ihr großzügige neue 30kg schenkten, mit denen sie sich spiralförmig im Kreis dreht. Spirituell entdeckt Leslie immer mehr und achtet darauf, ihre Bodenhaftung zu bewahren. Mit ihrem neuen Mann hat sie eine echte Seelengefährtenverbindung mit all ihren Lernaufgaben und steter Magie, um sie bei Laune zu halten. Im Job wächst das zunehmende Gefühl, mit der aktuellen Geschwindigkeit nicht mehr ganz mitzuhalten.
Tjaaaaa, und dann sind da noch:
Die Kinder, der Exmann, die Erzieher und Lehrer der Kinder, andere Eltern, Nachbarn, Kollegen, Vorgesetzte, Familie nah und fern, die neue Liebe, die Freunde, ihre Haustiere und dieser gottverdammte eigene Anspruch.
Willkommen im Dilemma.
Einige jüngere kinderlose Barbies halten Leslies Übergewicht für absolut und eindeutig klarer Herkunft. Schließlich gibt es eine einfache Formel, die da heißt „wenjer rinn wie raus, dann nimmste ooch ab.“ Letztens beriet sie eine Plastikpuppe mit den Worten:
„Also Leslie jetzt stell Dich mal nich so an und mach halt auch ein bisschen Sport. Iss mal weniger Kohlenhydrate und verzichte auf Limos, dann wirst du sehen wie schnell alles purzelt.“
Eine Andere empfahl ihr, sich psychologische Hilfe zu suchen, weil ihre ganzen Unfälle und Wehwehchen ja sicher irgendeinen noch nicht bearbeiteten schweren Schaden verdecken.
Leslie macht übrigens 3x die Woche morgens auf nüchternen Magen (für die Fettverbrennung) Sport, kocht täglich frisches Essen selbst, isst ihr Frühstück nicht vor 13 Uhr, trinkt vom ungesüßten Kaffee abgesehen nur Wasser. Alle süßen Sünden hat sie abgestellt bis auf 1x Eis am Abend. Als weniger kalorienhaltigen Ersatz von Schokolade und Gumibären (sie weiß um den Abendeffekt, hat sowohl Ernährungskurse wahrgenommen als auch selbst gegeben). Die Summe ihrer Tageskalorien liegt weit unter jener der Menschen, die ihr all diese Tipps geben und selbst „essen können was sie wollen.“ Aber wenn sie das erzählt, wird sie gefragt, warum sie sich eigentlich so rechtfertigt. Schließlich müsse ja ganz offensichtlich etwas falsch laufen. Doch auf zu einigen anderen Rollen von Leslie Lu.
Während Leslie ihre Kinder existenz- und damit berufsbedingt von klein an in Krippe und Fremdbetreuung gab, schimpften einige Verwandte und andere Eltern, wie sie das ihren armen Würmern nur antun könne.
In den Phasen ihrer angestellten Teilzeitjobs lästerten einige ihrer Kollegen, weil sie sich offenbar als etwas Besseres fühle und sich bei kollegialen Treffen und anderer Arrangements nicht beteiligte.
Während diese sich mittags gemeinsam in der Kantine trafen, hetzte sie schnell nach Hause, um ihre Hunde zu versorgen. Noch bevor sie sich dann dort an ihren Schreibtisch setzt, um ihre selbständige Tätigkeit und Herzensprojekte zu erfüllen, kommt das erste Kind mit großem Hunger aus der Schule. Wenn das Zweite nach Hause kommt, hat sie meist gerade mal die wichtigsten Todos angekratzt und die Emails erledigt, muss aber eigentlich schon wieder in die Küche wechseln, um zu kochen. Denn wenn gegen fünf Uhr der Partner heimkommt, hat sie gern gesundes Essen auf dem Tisch. Während ihre Kinder sich dann am Esstisch um sich selbst und mit ihr wegen des ätzenden Gemüses streiten, erzählt der Partner von seinem bisherigen Tag. Während sie ihm so gern zuhört, wird ihr meist bewusst, dass sie für ihre Kinder noch gar keine bewusste Zeit hatte und eigentlich dringend zurück an den Schreibtisch müsste, um wenigstens XY fertigzumachen.
Den ehrenamtlichen Müttern ihres Umfeldes wird sie von haus aus nicht gerecht. Ein Jahr lang hatte sie sich um den Müslieinkauf des Kindergartens gekümmert, ansonsten aber nur als Vorsitzende zweier Gewerbezusammenschlüsse gewirkt. Diese hatte sie bereits mit der Geburt des 2. von drei Kindern aufgegeben. Manchmal fragt sie sich, ob man es Jesus und Co eigentlich annähernd so übel nahm, als sie ihre Familien verließen, um das göttliche Wort zu lehren. Lesli Lu lehrt es nur von ihrer Couch oder ihrem Schreibtisch aus.
Sobald sie gegen 18 oder 19 Uhr Uhr zum ersten Mal seit morgens um 5 Uhr wieder auf die Couch fällt, wechselt ihre Batterie auf Entladungsmodus. Spätestens zu den Nachrichten ist sie eingeschlafen. An diesen Tagen hat sie keinen Sport gemacht, hat die Hunde nur in den Garten gelassen oder vom Mann abgenommen bekommen und auch sonst noch keine Termine, Homeschooling, Freitestungen oder andere Katastrophen koordiniert.
Wenn sie das ihren kinderlosen Kontakten erzählt, bekommt sie zu hören, sie solle nicht so jammern, lebe doch eh so schön bequem von ihrem Mann (s. Artikel Müttern jammern nicht) und müsste schon auch endlich mal ihr Leben selbstverantwortlich in die Hand nehmen.
Um ihre berufstätige fachliche Akzeptanz zu erhöhen, hat sie in den letzten 2 Jahren nach langer Kinderpause fünf Weiterbildungen belegt.
Während solche Gemüter ihr liebes langes Wochenende frei haben, schimpft Leslies Exmann bei jedem ihn störendem Verhalten, dass „es ja wohl kein Problem sein könne, X und Y mit und für die Kinder zu machen.“ Sie solle nich so egoistisch und geldgeil sein (wenn sie halt mal nicht sofort so springt, wie er es gern hätte). Sein hohes Familien- und Beziehungsmotiv, zeigt in aller Regel wenig Verständnis für ihre niedrigen Werte und ihre starke Unabhängigkeit. Während er sich an den Wochenenden mit den Kindern vergnügte, hat sie in den ersten Trennungsjahren jedes Wochenende durchgearbeitet. Als ihre super fleißgemäßen Vorzeigeunternehmer ihren 12. Urlaub posteten, hatte sie noch keinen einzigen.
Ihre losen Kontakte und vor allem die überall präsenten Taucher (s. Scannerartikel) werden nicht müde ihr zu raten, sie müsse halt mal ein wenig mehr in die Pötte kommen und Prioritäten setzen. Schließlich hätten sie selbst auch hart für ihren Erfolg gearbeitet. Letztlich sei alles eine Frage des Fleißes.*
*Das ist die fatale Ampel unseres aktuellen Bewusstseins und sie steht auf dunkelrot. Ich empfehle das Wort Fleiß mit Begeisterung auszutauschen. Diese ist das, warum wir hier sind. Jeder Mensch hat sich gemäß seiner Neigungen und Gegebenheiten selbst zu schälen und zu erfüllen. Kurzgefasst nennt man das LEBEN.
Siehe bei Interesse hierzu auch den Artikel „Müttern jammern nicht! Sie berichten.„
Textquelle & Copyright: Tanja. Trotzdem
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Dieser Artikel wurde schon am 14.3.22 auf einer meiner alten Seiten veröffentlicht. Wie man vermutlich merkte, wurde er nicht ganz fertig. Aber ich fand ihn trotzdem zu schade zum Löschen.
Tanja Schillmaier ist Autorin und systemische Coachin mit einer Leidenschaft für hilfreiche psychologische Methoden, die sie in ihren Büchern mit tiefen persönlichen Einsichten kombiniert. Sie unterstützt ihre Leser darin, Herausforderungen des Alltags zu meistern, indem sie komplexe Themen auf verständliche Weise vermittelt und Werkzeuge zur Selbstreflexion bietet. Mit ihrer eigenen wachsenden Powerquickie-Buchreihe und weiteren Ratgebern, wie dem Buch ‚Zuckerteufel – Glücklich leben trotz ADHS‘, schafft sie inspirierende Ressourcen für Menschen, die Probleme zu bewältigen haben und nach mehr Leichtigkeit und Balance suchen.